FACES« – die Ausstellung
Das heute gebräuchliche Wort MASKE kommt aus dem Arabischen und hat sich im späten Mittelalter im europäischen Sprachraum etabliert. In der römischen Antike wurde die Maske als PERSONA bezeichnet. Die Griechen nannten sie PROSOPON und bezeichneten damit auch das Gesicht. Für sie gab es keinen Unterschied zwischen dem natürlichen und dem künstlichen Gesicht.
Ihre Funktion haben Masken seit der Antike kaum verändert. Wenn sie sich vom Träger ablösen und zu eigenständigen Objekten werden, auch dann bleiben sie Gesicht. Das Gesicht ist zentraler Träger des Ausdrucks, es zeigt die Essenz der Persönlichkeit.
Es ist das expressivste und persönlichste Merkmal des Menschen. In keinem anderen Bereich der physischen menschlichen Erscheinung treten die individuellen Eigenschaften so deutlich hervor. Wir Menschen kommunizieren über unser Gesicht, es ist Projektionsfläche von Emotionen und Befindlichkeiten. Es bietet dem Betrachter vielerlei offensichtliche und subtile Information, z. B. über Geschlecht, Alter, Gesundheit bis hin zu religiösen oder politischen Haltungen.
Das Gesicht ist die Oberfläche, die wir nach außen zeigen, die Fassade der Selbstdarstellung. Galt mein künstlerisches Interesse bisher der Darstellung der menschlichen Körperform als Aus- druck existenzieller Grundfragen, so richte ich in der Serie „Faces“ meinen Fokus auf das menschliche Antlitz.
Derzeit verschwinden Gesichter hinter Masken, die uns schützen sollen. Masken können aber mehr, mit ihnen tarnen wir uns, verstellen oder schmücken uns.
In psychologischer Hinsicht tragen wir alle Masken, fast jeden Tag, fast jede Stunde. Sie gehören zu uns wie unser Gesicht, aber sie sind auswechselbar: eine Maske für den Job, für die Freunde, für den Partner. Alle sind ähnlich, denn es sind unsere eigenen.
Sie bilden sich ganz natürlich mit der Ausbildung unserer Persönlichkeit. Wir brauchen sie als Schutz und lernen im Laufe der Ichwerdung, welche Masken uns am besten passen, wie Kleidung, mit der wir uns ein Image geben. Alltagsmasken sind wie die eigene Haut, wir verwachsen mit ihnen und verinnerlichen sie bisweilen so sehr, dass sie zur Rolle werden.
Kaum ein Gegenstand, Bild oder symbolhaft eine solch weitreichende Tradition und kulturübergreifende Bedeutung wie die Maske. Sie durchdringt alle Bereiche der Kultur. Als rituelle Form in archaischer Verkleidung, als etablierte Kunstform im Theater, als Symbol in der Zeichenwelt der Emojis. In der Kunst der Gegenwart hat sie unendlich viele Spielarten entwickelt. Mehr denn je vermischen sich heute Kunst und Individualität. Man denke an die kaschierenden Identitäten in den sozialen Netzwerken oder deren Gegenstück, dem Exhibitionismus der Selbstoptimierung.
Noch die starrste Maske lebt im Ausdruck und ist Projektionsfläche für den Betrachter. Sie ist quasi ein Objekt mit zwei Seiten, einer Innen- und einer Außenseite, die Urform eines Symbols, indem sie zwei getrennte Dinge als eine Einheit repräsentiert.
Manche imaginieren ganze Landschaften von Gefühlen hinein, andere sehen nur eine Fläche. Vielleicht ist das Geheimnis der Maske ihre Durchlässigkeit. Sie schafft Distanz und bleibt doch immer offen für unsere Träume.
(Andrea Kraft)
Andrea Kraft – die Künstlerin
Ihre Werke bewegen sich zwischen Malerei und Skulptur, Raum und Fläche, Abstraktion und Figuration, Geist und Materie. Trotz aller Gegensätze wirken ihre Arbeiten harmonisch, fast schön im klassischen Sinne und berühren den Betrachter häufig sehr emotional. Das mag auch an der Verführungskraft ihrer Oberflächen liegen.
Wenn man sie auf das von ihr verarbeitete Material anspricht, erfährt man, das sie ein ungewöhnliches bildhauerisches Material verwendet, das sie „Zellukat“ nennt und das sie sich bereits während ihrer Studienzeit selber erarbeitet hat. Dieses besteht aus einem Mix „gewöhnlicher“ Materialien wie Holz oder Bambusfaser, Quarzsanden etc. – auch hier findet sich das Prinzip der Gegensätzlichkeit – Leichtes trifft auf Schweres, womit sie dem Geiste der Art Povera sehr nahesteht. In einem weiteren Schritt veredelt sie die Oberflächen in aufwendiger Trompe-l’oeil-Manier zu hochwertigen Materialien wie Bronze, Gold, Schiefer, Stein. Dabei geht es ihr weniger um den Effekt einer Illusion als vielmehr um den Ausgleich und um eine Verbindung von Gegensätzlichem. Konzeptionelle Idee und meisterhaft ausgeführtes Handwerk werden als gleichwertig betrachtet.
(P. Weyden, Galerist)